Stephen „Tin Tin“ Duffy, ein Mitgründer von Duran Duran aus Birmingham, lehnte einst einen Job als Songwriter bei Madonna ab. Später wurde er solo erfolgreich. Ende Mai wurde er 65 Jahre alt.
Ein Zufall brachte Stephen Duffy 1978 in Birmingham mit John Taylor zusammen. Beide hatten sich an der „School Of Foundation Studies & Experimental“ kennengelernt und gemeinsam mit Nick Rhodes, einem Freund Taylors, beschlossen, eine Band zu gründen. Ein Bösewicht sollte der Namensgeber der Gruppe werden, die sich fortan Duran Duran nach einer Figur aus dem Science-Fiction-Film „Barbarella“ benannte. Eigentlich sollte man, wenn man die weitere Karriere von Stephen Duffy bis heute betrachtet, glauben, dass dem Erfolg des jungen Projekts nichts im Wege stehen würde. Vielleicht standen sich die Protagonisten aber selbst im Weg, denn schon nach wenigen Monaten schmiss Duffy bei der gerade erst gegründeten New-Wave-Band seinen Job als Leadsänger. Anders, als bei vielen vergleichbaren Trennungen, wurden aber sowohl Duran Duran mit ihrem neuen Sänger Simon Le Bon, als auch Stephen Duffy später erfolgreiche Musiker.
Während Duran Duran schon zwei Jahre später ihre ersten Hits feiern konnten, brauchte Stephen Duffy trotz vieler Ideen, Elan und Kreativität ein bisschen länger, um im Erfolgszug zu sitzen. Nach dem Ausstieg bei Duran Duran gründete er die Band The Hawks, die allerdings nicht mit einer gleichnamigen Rockabilly-Band aus Kanada zu verwechseln ist. Mit The Hawks spielte Stephen Duffy 1981 ein Vier-Track-Album ein, dass „Words Of Hope“ heißt, aber keinen kommerziellen Erfolg erzielen konnte. Auch deshalb wurde das Projekt schnell wieder begraben. Die Platte selbst, ist vor allem bei New-Wave-Fans der frühen Stunde noch heute sehr begehrt und sehr schwer zu bekommen.
Während sich seine früheren Kollegen von Duran Duran ab jetzt zu einer der bekanntesten Bands der 80er entwickelten und die Hitparaden weltweit stürmten, sammelte Stephen Duffy erfahrene Musiker um sich, um einen weiteren Neustart zu wagen. Mit zwei Ex-Mitgliedern der Band Fashion, Andy „Stoker“ Growcott von den Dexys Midnight Runners und Bob Lamp von UB 40 gründete er die Band Tin Tin. Und endlich, vielleicht auch wegen der bekannten Namen im Team, bekam die junge Band schon schnell einen Plattenvertrag bei WEA Records.
Stephen Duffy musste nun liefern und er servierte den Platten-Bossen und Radios 1982 den Song „Kiss me“. Der Erfolg auf der Insel war allerdings bescheiden. „Kiss me“ von Tin Tin erreichte in den britischen Charts gerade einmal Platz 155, im Rest der Welt blieb die erste Fassung des Liedes gänzlich unbekannt. „Wer hart arbeitet, wird irgendwann belohnt“, dachte sich Duffy wohl und ging mit der Nummer 1983 in die USA. Und siehe da, „Kiss me“ wurde in einer neuen Version ein Dance Hit, schaffte es in den US-Dance-Charts bis auf Platz 13 und wurde zur angesagten Club-Hymne in dieser Zeit. Auch eine Nachfolge-Single schaffte es noch in die Top-30 der Dance-Charts. Ein dazugehöriges Album, jetzt vom Label Virgin 10 herausgebracht, erreichte zwei Jahre später in Großbritannien einen respektablen 35. Platz.
Duffy produzierte sich jetzt selbst, eine Band gab es nicht mehr, er übernahm aber deren Namen und nannte sich ab sofort Stephen „Tin Tin“ Duffy. Und auch seine alte Dance-Nummer „Kiss me“ hatte er für seine Landsleute noch nicht abgehakt. 1984 spielt er den Song solo neu ein und „Kiss me“ wird Anfang 1985 tatsächlich zum Volltreffer. In Großbritannien klettert die Nummer nun bis auf Platz 4, auch in Deutschland steht das Lied vor genau 40 Jahren, im Juni 1985, auf Platz 26 und wird zu einem oft gespielten Radio-Song. Während er in seiner Heimat noch weitere Songs in den Charts platzieren kann und sogar eine zweite LP nachschiebt, bleibt „Kiss me“ in Deutschland leider ein One-Hit-Wonder für Stephen „Tin Tin“ Duffy. In der britischen Musikpresse wird er mal als der „größte Pechvogel der Popgeschichte“ bezeichnet. Denn neben seiner eigenen Musikerkarriere hätte er Anfang der 80er in den USA noch größer herauskommen können. Wurde ihm doch tatsächlich angeboten, für die damals noch unbekannte Madonna Songs zu schreiben. Duffy lehnte das aber ab, Madonna wurde zum Weltstar, Duffy versuchte es weiter zu werden.
Nach der erfolgreichen Phase als Stephen „Tin Tin“ Duffy durchlief der Künstler eine Zeit wechselnder Namen. So nannte er sich Ende der 80er erst Dr. Calculus, später The Lilac Time, zwischendurch auch einfach wieder Stephen Duffy oder kurz Duffy. Doch die großen Erfolge wollten sich nicht mehr einstellen. Stephen Duffy hatte sich aber schon in den 90ern dem Schreiben und Produzieren von Songs gewidmet. Vor allem durch die Mitarbeit an Erfolgsnummern von Robbie Williams machte sich der gebürtige Birminghamer einen Namen. Williams verdankt Duffy mehrere Hits. Darunter die Songs „Radio“ und „Misunderstood“ von 2004. Kritiker würdigten dabei vor allem die poetischen Texte. Im Oktober 2005 produzierte er das sechste Williams Album „Intensive Care“ fast im Alleingang. Für die anschließende Tour wurde Stephen Duffy als musikalischer Leiter verpflichtet. Allerdings endete die Freundschaft zwischen den Musikern danach abrupt. Grund war die Heirat von Duffy und der Keyboarderin Claire Worrall, die nicht nur in der Robbie-Williams-Band spielte, sondern auch mit diesem zuvor liiert war.
Aber auch selbst ist Stephen Duffy noch musikalisch aktiv. Mitte der 90er war er mit dem Song „Hanging Around“ erstmals seit zehn Jahren wieder in den britischen Top-20. Dazu hatte er die Formation Me Me Me gegründet. Sein jüngstes Album ist allerdings auch schon wieder zehn Jahre alt, 2015 kam die LP „No Sad Songs“ mit seinem wohl treuesten Projekt The Lilac Time heraus. Zeit für den Musiker also, uns mal wieder mit neuer Musik zu beglücken.
