YouTuber wagt das große Commodore-Revival
Der legendäre Commodore 64 soll in einer modernen Version neu erscheinen – Ein Plan zwischen Nostalgie und Risiko. Wir schauen genauer hin.
Der legendäre Commodore 64 soll in einer modernen Version neu erscheinen – Ein Plan zwischen Nostalgie und Risiko. Wir schauen genauer hin.
Das Podcast & Musikradio von 80s80s: die wichtigsten Hits der 80s und ihre Geschichten, erzählt von Peter Illmann.
Wer heute das Computerspielemuseum in Berlin betritt, spürt sofort, dass die 80er nicht nur eine nostalgische Erinnerung sind, sondern ein Stück lebendiger Kultur. Zwischen Arcade-Automaten, Vitrinen voller Originalhardware und detailverliebten 80er-Dioramen steht auch ein Commodore 64.
Dieser graue Brotkasten mit den klobigen Tasten wirkt auf den ersten Blick fast unscheinbar. Doch für Millionen von Menschen war er das Tor in eine neue Welt: die Welt des Heimcomputers, der Spiele, der ersten eigenen Programmierzeilen. Der Commodore 64, kurz C64, erschien 1982 und wurde zur Ikone.
Mehr als 17 Millionen verkaufte Geräte machten ihn zum meistverkauften Heimcomputer aller Zeiten. Er war bezahlbar, robust und unglaublich vielseitig. Wer einen C64 besaß, konnte nicht nur spielen, sondern auch programmieren, Musik komponieren und mit ersten Grafikprogrammen experimentieren.
Der C64 war das Einfallstor in die digitale Kultur, lange bevor das Internet Mainstream wurde. Nach dem kometenhaften Aufstieg folgte allerdings der Absturz. Commodore ging 1994 in die Insolvenz. Was blieb, war eine Marke, die in den folgenden Jahrzehnten immer wieder von wechselnden Lizenznehmern reanimiert wurde. Mal tauchte der Name auf Billig-PCs auf, mal auf MP3-Playern, mal als Nostalgie-Logo auf Emulator-Konsolen.
Aber all das wirkte beliebig, fast respektlos. Während im Berliner Museum die Geschichte bewahrt wurde, lebte Commodore in der Realität als Gespenst weiter. Kein Projekt schaffte es, die Magie der 80er wirklich zurückzubringen.
Und nun also Christian „Perifractic“ Simpson. Wer ist dieser Mann, der eine der legendärsten Marken der Computergeschichte übernommen hat? Christian Simpson ist Brite, lebt inzwischen in den USA und betreibt seit Jahren den YouTube-Kanal Retro Recipes, der rund 260.000 Abonnenten zählt.
Dort geht es um alles, was Retro-Computer-Fans lieben: Bastelprojekte, Restaurierungen, Spielereien mit alter Hardware. In der Szene hat er sich einen Namen gemacht, etwa mit dem „Brixty Four“ – einem C64-Gehäuse komplett aus LEGO.
Privat ist Christian Simpson Schauspieler, Musiker und Technik-Enthusiast. Beruflich war er nie ein Tech-Mogul, sondern immer ein Kreativer mit Leidenschaft. Dass ausgerechnet er jetzt als CEO von Commodore auftritt, macht die Geschichte so besonders.
Christian Simpson hat die Marke Commodore im Sommer 2025 übernommen – ein Deal, den er selbst als „niedrig siebenstellig“ beschreibt. Die Finanzierung kam teils von Investoren, teils aus seiner Community. Laut Berichten nahm er sogar eine zweite Hypothek auf sein Haus auf, um das Projekt zu stemmen. Mit anderen Worten: Er setzt alles auf eine Karte.
Ein A-Klasse-YouTuber ist er nicht – mit 260.000 Abonnenten ist seine Reichweite solide, aber kein globales Schwergewicht. Er kann Commodore nicht allein durch YouTube-Einnahmen finanzieren. Deshalb braucht er Investoren, Vorbestellungen und eine Community, die ihm vertraut.
Das Flaggschiff seines Projekts ist der C64 Ultimate. Anders als viele „Mini-Konsolen“ vergangener Jahre setzt Christian Simpson auf FPGA-Technik. Das bedeutet: keine reine Emulation, sondern eine hardwarenahe Nachbildung der Originalchips. Ziel ist es, nahezu hundert Prozent Kompatibilität mit alten Spielen, Cartridges und Zubehör zu erreichen.
Geplant sind drei unterschiedliche Versionen, die vom Einsteigergerät bis zur Sammleredition reichen sollen. Alle sollen moderne Anschlüsse wie HDMI und Wi-Fi bieten, ohne den Retro-Charme zu verlieren.
Laut ersten Zahlen wurden bereits mehr als zehntausend Geräte vorbestellt. Damit das Projekt nicht wie ein Fan-Traum wirkt, hat Christian Simpson sich Verstärkung geholt. Mehrere Veteranen aus der alten Commodore-Ära sind mit im Boot. Namen wie Bill Herd, einer der Entwickler des C128, oder Michael Tomczyk, Marketingstratege hinter dem VIC-20, oder Jeri Ellsworth, die schon den C64 DTV entworfen hat, tauchen in seinem Team auf.
Diese Namen verleihen Glaubwürdigkeit. Denn wenn die alten Ingenieure mit an Bord sind, klingt das Revival weniger nach PR-Gag, sondern eher nach ernsthaftem Versuch, Commodore wiederzubeleben. Die Chancen liegen auf der Hand. Der Kultstatus des C64 ist ungebrochen, und mit FPGA-Technik lässt sich eine Authentizität erreichen, die bisherige Emulationen kaum bieten konnten.
Das Einbinden von Original-Commodore-Leuten zeigt Ernsthaftigkeit, und Nostalgie ist ein starker Motor – nicht nur für die Generation, die den C64 damals besaß, sondern auch für jüngere Retro-Fans. Aber die Risiken sind ebenso klar. Die Finanzierung ist selbst mit Vorbestellungen ein Drahtseilakt, der Kapitalbedarf hoch.
Technisch ist es mutig, hundert Prozent Kompatibilität zu versprechen, und gerade die Community der Retro-Fans ist bekannt dafür, gnadenlos genau hinzusehen. Ein Fehlstart könnte das ganze Projekt kippen. Und auch die Reichweite von ChristianSimpson ist begrenzt. Er erreicht viele, aber nicht die Masse, die für einen globalen Durchbruch nötig wäre.
Aber der Commodore 64 war mehr als nur ein Computer. Er war der Einstieg in eine neue Ära, ein Popkultur-Symbol der 80er und das Sprungbrett für eine Generation von Nerds, die später die digitale Welt formten. Dass heute ein YouTuber das Wagnis eingeht, diese Ikone neu zu beleben, ist ebenso verrückt wie faszinierend. Es ist kein perfekter Plan, es ist kein sicherer Deal – es ist eine Herzensangelegenheit. Und vielleicht ist genau das die Pointe: Während Konzerne Commodore jahrzehntelang nur als Logo missbraucht haben, kommt der Brotkasten nun ausgerechnet durch einen Fan zurück.
10 PRINT "HELLO 80s80s!"
20 GOTO 10